(aus: DIE RHEINPFALZ vom 12.11.2001)
Ein Horrorszenario für alle Eltern
Das Szenario dürfte wohl zum Alptraum aller Eltern gehören: Während die Erwachsenen ihrem Beruf oder anderen Beschäftigungen nachgehen, glauben sie die lieben Kleinen in der sicheren Obhut der Schule. Doch ein Schwelbrand im Flur des Obergeschoßes verwandelt das Idyll, verwandelt die Normalität eines alltäglichen Vormittages in ein Erlebnis, das ohne den tatkräftigen und sachkundigen Einsatz vieler freiwilliger und hauptberuflicher Helfer von Feuerwehr, Rotem Kreuz und Polizei innerhalb kürzester Zeit das Leben vieler Einzelner nachhaltig verändern würde. Grund genug, in einer groß angelegten Gemeinschaftsübung an und in der Anne-Frank-Grundschule für den Ernstfall zu trainieren und vor den Augen der weit über 200 Schaulustigen zu demonstrieren, wie eine solche Situation bewältigt werden kann.
Bereits in den Tagen zuvor wurde den Kindern im Unterricht die Arbeit der Hilfsorganisationen vorgestellt und das Verhalten im ?Fall der Fälle“ besprochen. Die lebenswichtigen Telefonnummern 112 und 110 wurden ?gepaukt“ und natürlich wurde auch ausführlich erklärt, was für Angaben zu machen sind. Doch die Aufregung galt dem großen Tag, dem vergangenen Samstag, der mit dem Zurechtmachen der Opfer begann. Während die Mehrzahl der Schüler ganz normal Richtung Klassenzimmer marschierte, verwandelte sich die Bibliothek im Erdgeschoß in das Studio der Maskenbildner vom Deutschen Roten Kreuz, die mit Theaterfarbe, Uhu und Vaseline für ein realistisches Erscheinungsbild der zu Rettenden sorgten. Während die zehn ?Opfer-Kinder“ vor allen Dingen Wert darauf legten, dass keiner zu wenig Brandblasen abbekam, übertrug sich die Aufregung auch auf die beiden Erwachsenen, die ebenfalls in die Rolle der Verletzten schlüpften.
Der Flur wird vernebelt
Schließlich vernebelte ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr den Flur im Obergeschoß, in dem laut ?Drehbuch“ der Schwelbrand entstanden war. Ab dem Moment, in dem der Alarm ausgelöst wurde, ging alles Schlag auf Schlag. Noch während Schulleiter Michael Keim den Notruf absetzte, begann die Evakuierung der Klassen, die zur Überraschung aller Beteiligten in weniger als fünf Minuten über die Bühne ging. Ohne Geschubse und Gedränge schlugen die Lehrer mit ihren Zöglingen den Weg ins Freie ein, um sich an der Realschulturnhalle zu versammeln.
Atemschutz und Sicherungsleinen
Kleinere Probleme mit den immer wieder zuschlagenden Türen fielen da kaum ins Gewicht. Innerhalb kürzester Zeit waren sowohl der Lösch- als auch der Rüstzug der Freiwilligen Feuerwehr mit jeweils 20 Einsatzkräften vor Ort und begann mit dem Aufbau der Gerätschaften, während Atemschutzgeräteträger sich bereits mit Sicherungsleinen ausgerüstet anschickten, die Räumlichkeiten zu erkunden. Auch die 18 Mitglieder der Schnelleinsatzgruppe SEG) des Roten Kreuzes sind unglaublich schnell vor Ort und beginnen etwas abseits mit dem Aufbau der beiden Zelte.
Schon wenige Minuten, nachdem die ersten Feuerwehrleute das Gebäude betreten haben, können die ersten Verletzten mit Rettungshauben versehen ins Freie geführt und den Sanitätern übergeben werden, die sie zunächst in den Fahrzeugen mit Decken versorgen, Wunden säubern und fachmännisch verbinden. Auch die Drehleiter mit dem Rettungskorb ist in Windeseile einsatzfähig, muss allerdings eine im Weg stehende Straßenleuchte umfahren. Fast lautlos hebt die Leiter die drei ebenfalls mit Atemschutzgeräten ausgerüsteten Männer zu dem Fenster des Klassenzimmers, in das sich eine Lehrerin mit mehreren Kindern geflüchtet hat, weil die starke Rauchentwicklung eine Flucht über das Treppenhaus unmöglich gemacht hat. Innerhalb einer halben Stunde sind die zwölf Opfer gefunden und gerettet, denn obwohl es sich um eine Übung handelte, wurden sie mehr oder weniger gut versteckt.
Verletzte in den Zelten
Derweil sind die Schlauchverbindungen so weit installiert, dass die Brandbekämpfung in Angriff genommen werden konnte. Die Flure und das Treppenhaus wurden vom Haupteingang aus belüftet, damit der Rauch abziehen konnte und ein Betreten des Hauses auch ohne Pressluftflasche möglich war. Nicht einmal eine Stunde nach dem Eintreffen erhielt Einsatzleiter Gunther Rhein über Funk die ersten Meldungen, dass sich Einheiten zurückziehen und die Funkverbindung abbrechen. Während die Feuerwehr zusammenpackte und sich anschickte, den Einsatzort zu verlassen, wurden die Verletzten in den Zelten versorgt. Zuletzt wurde noch eine Schadstoffmessung vorgenommen, die keine erhöhten Werte ergab. Die Ermittlung der Brandursache wäre dann Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft gewesen.
Ein Sorgentelefon
Unbemerkt von der Öffentlichkeit arbeitete die Führungsstaffel im Feuerwehrhaus. Von hier aus koordinierte sie die Einsätze der Helfer vom Roten Kreuz und der Feuerwehr und veranlasste entsprechend deren Meldungen weitere Maßnahmen wie den Transport von sieben Opfern in umliegende Krankenhäuser und die Alarmierung eines Rettungshubschraubers für weitere zwei Personen. Über die Verbandsgemeindeverwaltung wurde ein Sorgentelefon eingerichtet. Die namentliche Erfassung der Verletzten und derer, die unbeschadet evakuiert werden konnten, wäre Sache von Polizei und SEG gewesen. Über Lautsprecher bedankte sich Gunther Rhein bei den Helfern und der Schulleitung für deren Unterstützung.
Im Anschluss an die Übung demonstrierten die Floriansjünger den Umgang mit Streichhölzern, Kerzen, Feuerlöschern und erläuterten Maßnahmen der Brandverhütung. Schlauchkegeln, eine Mal- und Bastelstation sowie Maßnahmen zur Brandbekämpfung rundeten das Angebot ab, zu dem auch eine Geräteschau gehörte. Von Seiten des Roten Kreuzes wurden ebenfalls Geräte vorgeführt und das Anlegen kleiner Verbände oder die Versorgung von Wunden demonstriert. Kreisfeuerwehrinspektor Werner Schäfer, Bürgermeister Karl-Heinz Seebald und Beigeordneter Peter Ebel beobachteten den Verlauf der Übung nicht ohne Stolz. (mhz)